Im letzten Jahr habe ich mich sehr viel damit beschäftigt, welche Auswirkungen das Web 2.0 auf Organisationen und Unternehmen hat. Dabei ging es stets um das Unvermeidbare: Das Netz ist „sozial“ geworden – das bedeutet
- Unternehmen verlieren die Kontrolle über Kommunikation, weil nun überall und von jedem über ein Produkt oder einen Arbeitgeber gesprochen werden kann
- Jeder kann über alles mitreden und dabei auch den Zeitpunkt bestimmen (Sonntags, wenn die PR-Abteilung im Wochenende ist)
- Arbeitgeber werden bei kununu bewertet und niemand kann es verbieten
- Marketingbotschaften, die gelackt und stromlinienförmig ausgesendet werden, werden nicht gehört oder im Web 2.0 seziert
- Intransparentes oder unkorrektes Verhalten verschwindet nicht mehr „einfach so“ von der Tagesordnung (Guttenberg / Wulff)
- Fassaden werden eingerissen und das, was übrig bleibt, wird offensichtlich.
Noch vor zwei Jahren haben alle das „soziale Netz“ bestaunt und über die Autisten gelästert, die bei Facebook und Twitter ihre Kohlenstoff-Freunde gegen virtuelle Friends & Follower eingetauscht haben. 900 Millionen Menschen später wird es langsam klarer: Es gibt nicht „die sozialen Netzwerke“, sondern das Netz ist insgesamt „sozial“ geworden. Fast jede Webseite lädt zum Kommentieren ein, kein Webshop ohne Produktbewertungen, Facebook, Twitter, Google+, Youtube sind ubiqutär und Bestandteil jeder ernsthaften Kommunikationsstrategie.
Gut so! Denn es gibt einen Nebeneffekt, der die Welt auf ewig verändern wird: Transparenz und Authentizität halten Einzug in die Organisation und stellen die vorhandenen Strukturen vor große Herausforderungen. Wer will, kann heute schon ehrliches Feedback über seine Produkte, Services, sein Ansehen als Arbeitgeber erhalten. Zukünftig wird das auch keine Option mehr sein, sondern ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Unternehmen: Willkommen in der Experience Economy! Kunden wollen ihre Meinung sagen und wollen zunehmend z.B. auf die Produktentwicklung Einfluss nehmen.
Doch viele scheuen sich und haben erst einmal eine Phalanx aus Agenturen zwischen den Webnutzern und dem Unternehmen gestellt (ähnlich den Callcentern, die viel zu oft als Firewall zwischen Kunden und Unternehmen fungieren). Hat man früher resigniert und frustriert eine Stunde in der Warteschleife verbracht um dann wissensbefreite Auskünfte zu erhalten (und eine entsprechende Telefonrechnung), ist das heute nicht mehr akzeptabel. Wer bei Facebook oder Twitter vertreten ist, muss schnell und kompetent reagieren. Hier gibt es mittlerweile sehr gute Beispiele: Ich kann den Kundensupport bei Twitter der Deutschen Telekom (@telekom_hilft) oder Unitymedia (@unitymedia) wärmstens empfehlen. Dell und andere Vorreiter sind mittlerweile schon fast legendär.
2012 wird nun das Jahr der Professionalisierung! Das lese ich aus den einschlägigen Blogs der Social Media Berater heraus. Fast alle haben Erfahrungen im social web gesammelt und beginnen nun, die Organisationen zu verändern.
Ein wesentlicher Punkt dabei wird sein, Kunden und Mitarbeiter (um hier zwei sehr wichtige Gruppen zu nennen) über eine echte Feedback-Kultur in einen andauernden Dialog einzubinden. Nach einer Gartner Studie befragen mittlerweile 95% der Unternehmen regelmäßig ihre Kunden und Mitarbeiter. Allerdings lassen nur 5% der Unternehmen die Ergebnisse in konsequente Umsetzungen einfliessen. Damit werden sehr wertvolle Impulse nicht aufgenommen und die Chance zur nachhaltigen Veränderung zum Besseren wird vergeben.
Neben der Möglichkeit über Dialoge die Qualität von Produkten und Services oder das Image als Arbeitgeber zu verbessern, bietet ein strukturiertes Feedback auch die Chance, seine Kunden besser zu verstehen und somit auch die Leistungen immer besser auf die konkreten Bedarfe zuzuschneiden. CRM Systeme, die bisher transaktionsorientiert gestaltet wurden, werden angereichert durch die Ergebnisse strukturierter Befragungen und werden so zum „social CRM“ (SCRM). Setzen Unternehmen also sogenannte „Enterprise Feedback Management (EFM-) Systeme“ ein, sind sie in der Lage, ehrliche und schnelle Rückmeldungen einzuholen und die richtigen Aktionen daraus abzuleiten.
Das Ganze ist gar nicht so komplex, wenn die Organisation es will und die Führungskräfte es aktiv unterstützen:
- Aussenden einer kurzen Befragung nach einem Projektabschluss
- Einholen von Feedback nach einem Vertriebstermin
- Befragen von Kunden, die gekündigt haben
- Befragen der Mitarbeiter zur Zufriedenheit
- 360 Grad Bewetung von Führungskräften
- Bewertung von Produkten
- …
Es gibt unzählige Möglichkeiten, eine ehrliche Rückmeldungen seiner „peers“ zu erhalten, wenn man es denn will.
Denn eines ist klar: Feedback kann auch unbequem sein, allerdings ist das eine riesen Chance, die Kunden und Mitarbeiter auch weiterhin an das Unternehmen zu binden und die Organisation konsequent weiter zu entwickeln.
Ich werde an dieser Stelle berichten, wie sich das Thema weiter entwickelt und freue mich auf Kommentare hier im Blog.