Dirk Wippern – beratung & coaching

"Begleitung von Menschen und Organisationen in die Digitale Transformation"


2 Kommentare

Zeitsouveränität und flexibles Arbeiten – geht das auch als Angestellter?

Ich bin ein glühender Anhänger der Idee des „Freiangestellten“, die von Markus Albers in seinem Buch „Morgen komm ich später rein“ beschrieben wird (das Buch kann ich wirklich empfehlen).

Die Idee dahinter ist, dass ein „Wissensarbeiter“ eigentlich nur einen Rechner und eine Internetanschluss benötigt. um arbeiten zu können und sich somit von der reinen Anwesenheitskultur freimachen kann. Damit sollte es doch sehr einfach sein, mit alten Gewohnheiten zu brechen und die altbewährte „9 to 5“ Mentalität abzulegen und gegen ein flexibles und selbstbestimmtes Arbeiten zu tauschen.

Meine Erfahrungen sind allerdings, dass viele Organisationen zwar ihre Webseite mit der schönen neuen Arbeitswelt „bespielen“, sich aber in der Umsetzung sehr schwer tun (und z.B. Homeoffice nur auf Antrag genehmigen oder nach wie vor eine Zeitverschreibung haben). Auch viele „Freiangestellte in spe“ wollen sich nicht so leicht von ihren Glaubensätzen abbringen lassen, dass eine möglichst lange Anwesenheit im Büro mit Leistung gleichzusetzen ist. Immerhin haben wir das so über Jahrzehnte gelernt und von unseren Eltern überliefert bekommen. Schließlich sind da noch die Chefs, die oft „Kontrollfreaks“ sind und ihre „Untergebenen“ auch so führen. Am Ende müssen also nicht nur Chefs überzeugt werden, es sind oft gerade die Mitarbeiter, die sich sehr schwer mit der Unmsetzung dieses Gedankens tun.

Und jetzt? Ist das nun die nierderschmetternde Analyse eines verzweifelten „Freiangestellten“ der das flexible Arbeiten über alles schätzt, selber Chef ist und sich wundert, wie schwer sich die Umwelt damit tut?

Vielleicht, aber ich bin nicht bereit, die Idee aufzugeben!

Ich glaube einfach, dass das Folgende richtig ist:

  1. Menschen sind grundsätzlich intrinsisch motiviert, wollen gute Leistungen bringen und sich im Sinne ihres Unternehmens oder ihrer Organisation einsetzen – ich muss sie also nicht ständig kleinteilig kontrollieren. Ich muss aber dafür sorgen, dass jeder weiss, was von ihm erwartet wird und für welchen Aufgaben er / sie die Verantwortung trägt.
  2. Menschen sind zufriedener und leistungsfähiger, wenn sie selber bestimmen können, wie sie ihre verschiedenen Lebenswelten unter einen Hut bringen – ich kann es also meinen Mitarbeitern überlassen, ob sie die Kinder nachmittags von der Schule abholen und danach arbeiten oder einen Einkauf am Vormittag erledigen, weil es dann schneller geht oder ins Büro kommen, wenn der Stau sich wieder aufgelöst hat.
  3. Menschen sind im Büro oft gar nicht kreativ und produktiv – Störer wie Kollegen, Telefon und „Spontanbesprechungen“ sind Garanten für viele Unterbrechungen und einen ständigen Neustart der Aufgabe an der wir gerade arbeiten. Ich darf also hinterfragen, wieso die Leute nicht einfach dort arbeiten, wo sie es am besten können.
  4. Menschen geben den Vertrauensvorschuss durch Loyalität und gute Leistungen wieder zurück. Natürlich kann das System auch ausgenutzt werden. Aber: Schlechte Leistungen und Illoyalität gibt es immer und in allen Systemen.

Ich meine damit nicht, dass jeder nur noch sozial isoliert, verlottert und stinkend in seiner vermüllten 2-Zimmerwohnung arbeitet und sich einen Anzug anzieht, mit dem Bus um den Block fährt, um dann wieder im Homeoffice anzukommen nur um einen Arbeitsweg zu simulieren, wie es Verena Meyer eindrucksvoll im Tagesspiegel schreibt.

Ich meine, dass jeder für sich herausfinden muss, unter welchen Bedingungen er / sie den besten Interessensausgleich zwischen den Lebenswelten herstellen kann und gute Leistungen erbringen kann. Das ist für mich die Basis für persönliche Zufriedenheit und ein langfristiges Engagement in Unternehmen. Das kann aber nur jeder selbst tun und die Unternehmen können die Rahmenbedingungen setzen, in dem sie ihre Mitarbeiter wie richtige Erwachsene behandeln, die autonom entscheiden.

Hier wünsche ich mit mehr Mut und Offenheit auf beiden Seiten: Chefs sollen ruhig einmal testen, wie sich das anfühlt, die vermeintliche Kontrolle zu verlieren ( es muss ja nicht gleich so furchtbar sein, wie in diesem Video) und Mitarbeiter sollen einmal erfahren, wie es ist, an ungewöhnlichen Orten zu arbeiten oder zu Zeiten einzukaufen, in denen nichts los ist, ohne dafür Urlaub nehmen zu müssen.

Wichtig ist: Nichtanwesenheit im Büro ist kein Zeichen für Faulheit – vielleicht ist der Kollege gerade beim Sport und denkt über das nächste Produkt nach oder hat eine zündende Idee, wie das Projekt doch noch erfolgreich beendet werden kann.

Andererseits: Bürozeiten sind natürlich immer noch wichtig. Besprechungen oder Abstimmungen zu Projekten funktionieren immer noch am besten, wenn man sich gegenüber sitzt. Aber vielleicht geht es ja alles ein wenig offener und flexibler. Dafür werde ich weiter werben und ich werde auch als Chef meine Mitarbeitern weiterhin anspornen, sich auch in dieser Hinsicht weiter zu entwickeln.

Meine Erfahrung bei der konkreten Umsetzung dieses Prinzips: Es geht sehr gut, die Leistungen des Unternehmens steigen, die Fluktuation bleibt niedrig, das Unternehmen wird für neue Mitarbeiter attraktiver, die meisten Mitarbeiter kommen gut damit zurecht, eigenverantwortlich zu handeln. Die, die das System ausnutzen, werden schnell sichtbar und müssen ihr Verhalten korrigieren. Das Büro ist nie ganz leer (das ist auch nicht das Ziel) aber jeder kann entscheiden, wo und wann er / sie arbeitet. Es gibt noch organisatorische Einschränkungen (z.B. Anwesenheit im Telefonsupport) aber im Großen und Ganzen sind alle zufrieden und die meisten wollen nicht mehr anders arbeiten – was wiederum eine echte Herausforderung für potentielle neue Arbeitgeber ist.

Noch ein Tip für die Chefs: Lebt es vor, geht nicht ins Büro, wenn Ihr woanders besser arbeiten könnt und sowieso keine Zeit für Gespräche und persönliche Kontakte habt. Schreibt in Eure Kalender, dass ihr beim Sport seit oder am Nachmittag zu Hause oder im Cafe arbeitet. Und vergesst nie: Ein Smartphone und ein Notebook kann man auch getrost einmal auslassen oder stumm schalten ;-).

Hier gibt es noch ein interessantes Interview von Markus Albers im Cafe Einstein in Berlin aus dem Jahr 2008:


Hinterlasse einen Kommentar

Ein Blog für Alle(s) – der Schulblog ist gestartet

Ich hatte an dieser Stelle schon berichtet, dass wir an unserer Grundschule einen Blog aufsetzen wollen, um die Informationsversorgung zu verbessern.

Jetzt ist es das auch tatsächlich passiert. Unter http://www.laurentiusschule.wordpress.com können sich nun alle, die etwas mit unserer Schule zu tun haben, über das aktuelle Geschehen informieren. Die Schulleitung ist auch schon fleissig dabei, Inhalte einzustellen. Dabei wurde schnell klar, dass eine enorme Zeitersparnis zu verzeichnen ist: Sobald die Nachricht erstellt ist, ist sie ja bereits verteilt und für alle sichtbar. So entfällt der komplette Verteilprozess und zum größten Teil auch der Druck- und Kopieraufwand.

Vor den Ferien haben wir noch kräftig Marketing für den Blog gemacht und bereits mehr als 35 feste Abonnenten gewonnen. Auch die Zugriffszahlen haben sich positiv entwickelt. Nach den Ferien wollen wir weitere Redakteure aufschalten und mittelfristig 80% der Eltern (150) als regelmäßige Leser für den Blog gewinnen.

Auch in diesem Fall ist wieder klar geworden: Ohne die Unterstützung der Leitung und ohne relevante Inhalte, die schnell veröffentlicht werden, ist ein solches Konzept nicht erfolgreich umzusetzen. Ich bin sicher, dass im nächsten Schuljahr auch die kritischen Stimmen aus der Lehrerschaft überzeugt werden können dieses Instrument einzußetzen.

Ich bin gespannt, wie es weiter geht und werde hier berichten.


2 Kommentare

„Ein blog für Alle(s)! Unsere Grundschule lernt bloggen…

Am Wochenende habe ich ein Konzept geschrieben, dass das Informationsmanagement an unserer Grundschule auf neue Füsse stellen soll. Die Idee ist, dass alle „stakeholer“ über einen zentralen blog Informationen einstellen und diese dann von allen, die es interessiert gelesen und kommentiert werden können. Dazu gibt es auch einen Demo-blog (mit „Spieldaten“) auf wordpress.com zu sehen.

Klingt einfach? Ist es (technisch) auch, wenn da nicht die Themen wären, die man immer hat, wenn es um Change Management geht. Denn nichts anderes ist das: Es geht darum langfristig die papierbasierte, seit Jahrzehnten etablierte Informationsverteilung in einen Dialog zu verwandeln, der Lehrer, Eltern, OGS-Mitarbeiter, Fördervereins-Vorstände und alle, die sonst noch mit der Schule zu tun haben, in ein digitales Boot holt.

Ich höre schon die ersten Rückmeldungen: „Klingt gut, aber wer soll das denn alles schreiben? Wir haben so viel zu tun … das können wir nicht .. das dürfen wir nicht … das wollen wir nicht …“

Ich hoffe sehr, dass ich diesen Prozess noch weiter begleiten darf (was ich ehrenamtlich gerne machen will) und das „go“ von der Schulleitung bekomme. Ich weiss von vielen (engagierten) Eltern, dass sie sich eine bessere Infoversorgung wünschen und bin überzeugt, dass auch innerhalb der Schule viel Zeit gespart werden kann, wenn Informationen zukünftig nicht auf Zettel gedruckt werden, sondern schnell und aktuell in unserem blog stehen. Vielleicht werden dann sogar auch die Eltern am Ende überzeugt sein, die heute noch nicht einmal bereit sind, ihre Mailadresse herzugeben und sich weiterhin mit Papier bedienen lassen (weil es immer so war…).

Ganz davon abgesehen habe ich gelernt, dass allein durch die Verfügbarkeit von Informationen, die vorher nicht vorhanden waren, sich ganz viele interessante Dinge entwickeln können, die die Schule dann wieder in Projekte / Verbesserungen umsetzen kann.

Ich werde an dieser Stelle berichten, wie es weiter geht.